Hätten Sie's gewusst? Alte Unterlagen belegen, dass im Haltern des 17. Jahrhunderts des Nachts gleich zwei Nachtwächter für die Sicherheit der Stadt sorgten. Eine Stadt übrigens, deren Geschichte bis ins Mittelalter zurückreicht. „Urkundlich wird Haltern erstmals im Jahr 1017 erwähnt“, erklärt Franz Schrief. Und er weiß darüber hinaus noch viel mehr Interessantes, Überraschendes und sogar Lustiges über Haltern, die Geschichte der Stadt und die dort beheimateten Menschen zu berichten. Als einer von rund 14 Stadtführern hat er viel zu erzählen - und einiges davon ist sogar für den einen oder anderen waschechten Halterner Bürger noch neu.
Von Mai bis September werden jeweils an einem Samstag im Monat wieder regelmäßig Führungen durch Haltern am See von der Stadt angeboten. Zusätzlich können Interessierte aber auch individuelle Themenstadtführungen anfragen und sich so zum Beispiel Wissenswertes von den Stadtführern berichten lassen, die manchmal sogar in andere Rollen dafür schlüpfen. Der Kiepenkerl etwa tritt ganz traditionell mit blauem Leinenkittel, rotem Halstuch, Mütze und geflochtener Kiepe auf. „Und natürlich hat er, so wie früher, allerlei Klatsch und Tratsch im Gepäck. Kiepenkerle betrieben nämlich Handel und kamen so viel herum. Daher hatten sie immer viel zu berichten“, so Franz Schrief.
Weitere Figuren, aus deren Sicht Stadtführungen gebucht werden können, sind zum Beispiel „Charlotte von der Post“ oder gar „Marie von der Mühlenporte“. Letztere weiß beim Stadtrundgang „Von Menschen und Marotten“ Unglaubliches und Eigentümliches von Gestern und Heute zu berichten. Weshalb trieb es Schweden und russische Kosaken nach Haltern? Warum bewirkte Napoleon, dass französische Adelige und hochgestellte Geistliche in Haltern Asyl genossen? Die Stadtführerin alias „Marie von der Mühlenporte" kennt die Antworten.
Accessoires immer dabei
Aber auch bei den regelmäßig angesetzten Führungen durch die Stadt darf zumindest bei Franz Schrief, der im Übrigen passend dazu auch 1. Vorsitzender des Vereins für Altertumskunde und Heimatpflege Haltern ist, ein Accessoire nicht fehlen: „Ich bin immer mit Holzschuhen unterwegs. Ein bisschen Unterhaltung muss sein.“
Besonders unterhaltsam, und das auch noch in der Dunkelheit der Nacht, wird es immer für die Teilnehmer der Nachtwächterführung, die jedoch aufgrund der Lichtverhältnisse eher in der dunklen Jahreszeit stattfindet. Ausgestattet mit Laterne, Mantel, Hut und Signalhorn wird so einiges Spannendes über das frühere Haltern und den damaligen Beruf des Nachtwächters berichtet. Franz Schrief gibt einen Einblick: „Haltern war durch die Lippe mit schützenden Wassergräben umgeben. Zugbrücken führten darüber. Diese wurden des Nachts jedoch geschlossen und es galt, sie zu sichern. Daher rührt übrigens auch der Begriff, Torschlusspanik: Wer sich nach dem Schließen der Tore noch außerhalb der Stadt befand, kam nicht mehr rein.“
Aber darüber hinaus fielen Nachtwächtern noch weitere Aufgaben zu, wie er berichtet: „Stündlich wurde zum Beispiel ein Lied gesungen, mit dem man die Uhrzeit angesagte. Das hatte aber weniger den Zweck, der Bevölkerung die Uhrzeit mitzuteilen. Es ging mehr darum, Präsenz zu zeigen. Dadurch wurde ausgesagt: Es ist jemand hier, der aufpasst. So konnte zum Beispiel Einbrüchen vorgebeugt werden.“ Auch für den Bereich des Brandschutzes waren Nachtwächter zuständig: Mit ihrem Horn konnten sie im Fall der Fälle Löschen aufrufen. zum „Und mit ihrer Laterne war es möglich, der Bevölkerung im Dunkeln den Heimweg zu leuchten“, ergänzt Franz Schrief. So kamen Nachtwächtern durchaus wichtige Aufgaben zu. Dennoch sei der Beruf in der damaligen Bevölkerung nicht sehr angesehen gewesen, wie der Stadtführer weiß: „Bei Wind und Wetter musste dieser Job ausgeübt werden. Und meistens übernahmen ihn Herren im reiferen Alter.“
Religion und Kirche
Aber auch wenn Themenstadtführungen mit Figuren wie Stadtwächter oder Kiepenker Schwerpunkte setzen, wird dennoch darüber hinaus noch mehr Wissenswertes über Haltern vermittelt. Interessantes über Religion und Kirche sowie viele weitere geschichtliche Informationen sind Thema. „Unbekannt ist beispielsweise oftmals, dass die Geschichte der Juden fest zu Haltern gehört. Oder aber, dass es sich bei der jetzigen St. Sixtus Kirche bereits um den vierten Bau an dieser Stelle handelt“, so Franz Schrief. Ebenfalls eine neue Information für viele Teilnehmer von Stadtführungen: Haltern ist ein Ort der Wunder und sogar ein Doppelwallfahrtsort. „Es ist immer wieder schön, wenn selbst Halterner erstaunt feststellen: Das wusste ich ja noch gar nicht“, sagt er. Dadurch wird deutlich, dass eine Halterner Stadtführung durchaus auch für „Einheimische“ einen Mehrwert hat.
Und was in den Augen des Stadtführers ebenfalls erfreulich ist: „Wenn die Teilnehmer Fragen stellen! Das zeigt, dass sie interessiert sind.“ Wer bei einer gebuchten Stadtführung schon im Vorhinein weiß, was die Gruppe spannend findet, kann sogar Wünsche äußern, wie er weiter erklärt: „Dann können wir die Führung individuell daran anpassen. Häufig wird etwa nach den Römern oder gar waschechten Halterner Originalen gefragt.“
So gestaltet sich dann auch jede Stadtführung ein bisschen anders. Langeweile kommt hier also unter den Stadtführern von Haltern nicht auf. „Das Ganze macht wirklich riesigen Spaß. Ich bin selber in Haltern groß geworden und meine Familienwurzeln lassen sich bis ins mittelalterliche Haltern zurückverfolgen. Mein Wissen dann bei den Führungen weiterzugeben, ist wirklich eine große Freude“, sagt Franz Schrief.
Info und Termine Stadtführungen: 4. Mai, 1. Juni, 6. Juli, 3. August und 7. September - Beginn 11.15 Uhr. Treffpunkt ist das Foyer im Alten Rathaus. Karten für 9 Euro pro Person sind in der Tourist-Information im Alten Rathaus, Markt 1, erhältlich. Kinder und Jugendliche bis 14 Jahre zahlen nichts. Reservierungen und weitere Informationen gibt es unter Tel. (02364) 933 365 oder 933 366. Auch individuelle Stadtführungen (zum Beispiel Themenstadtführungen) können gebucht werden. Die Nachtwächterführung findet nur in der dunklen Jahreszeit statt.