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Dorsten in den 50ern: „Freiheit, Stolz und Glück“

Wiederaufbau, Alltag und Nostalgie: Auch in Dorsten passierte in den 50er-Jahren Großes. Für die Menschen waren aber die kleinen Freuden im Privaten viel bedeutender.

Probesitzen auf dem Zechengelände Baldur: Harald und Armin waren für eine echte Spritztour zu diesem Zeitpunkt leider noch zu jung. FOTO ARMIN THOMAẞEN

Die Fünfzigerjahre werden heute oftmals mit nostalgischer Sehnsucht betrachtet: Ein schillernder Charakter wird dieser Zeit angehängt. „Die gute, alte Zeit“, heißt es doch zu schön. In jener Ära verfolgten die Menschen mit Entschlossenheit und Zuversicht das gemeinsame Ziel des Wiederaufbaus. Er markierte den Auftakt eines demokratischen politischen Systems und einer Zeit schneller wirtschaftlicher sowie sozialer Veränderungen.

Dennoch ist diese Entwicklung als Prozess zu verstehen. Die Fünfzigerjahre wurden daher von der damaligen Bevölkerung nicht durchweg als positiv wahrgenommen. Immerhin steckte vielen Menschen der Krieg noch in den Knochen. Eine breite Palette persönlicher Tragödien, von Obdachlosigkeit bis hin zum Verlust von Angehörigen, waren allgegenwärtig. Man fühlte sich entwurzelt und strebte Ruhe und Sicherheit an. Auch galt es, die Anstrengungen der Aufbauarbeit zu bewältigen.

Doch wie sahen die Fünfzigerjahre in Dorsten aus? Diese Frage stellte sich vor einiger Zeit die Autorin und damalige Redakteurin der Dorstener Zeitung, Anke Klapsing-Reich. Die Dorstener Zeitung rief bereits vor 20 Jahren ihre Leser auf, die in Fotoalben „festgeklebten“ Erinnerungen an dieses aufregende Jahrzehnt für ein Buchprojekt zu lösen. Und die Resonanz war überwältigend: Mehr als 500 Fotos gingen in der Redaktion ein. Scheinbar traf man hier einen Nerv. Die Leser der Dorstener Zeitung gewährten tiefe Einblicke in ihre Erinnerungen: Denn mit den Bildern waren Geschichten und Anekdoten verbunden, die so manches über diese Jahre preisgaben.

Eine Auswahl wurde schließlich für das Buch „Unsere 50er Jahre in Dorsten. Ein neues Stück Lebensglück“ (Wartberg Verlag) zusammengestellt. „Bitte seien Sie nicht traurig, wenn nicht Ihr, sondern ein vergleichbares Bild vom ersten Moped, Fahrrad oder Auto erzählt. Entscheidend ist hierbei nicht die Person, sondern das ins rechte Bild gesetzte Gefühl von Freiheit, Stolz und Glück, das sicherlich alle nachempfinden können, die in den Fünfzigerjahren zum ersten Mal auf eigenen Rädern' standen“, schrieb Autorin Anke Klapsing-Reich damals in ihrem Vorwort.

Aber nicht nur die Bürger, auch der Aufschwung kam damals in Fahrt, wie Anke Klapsing-Reich passenderweise formulierte. Wohnungen, Kirchen, Schulen und öffentliche Gebäude wurden errichtet. Der Bau von Brücken hielt die Dorstener ebenso in Atem wie die Entstehung eines neuen Rathauses am Gemeindedreieck. Die Dorstener beteiligten sich mit Eifer am wirtschaftlichen Aufschwung und Unternehmen wie die Dorstener Maschinenfabrik lieferten moderne Pressen international. Im Jahr 1955 richtete die Weltindustrie ihre Augen auf Dorsten, als die Steinkohle AG auf dem Zechengelände in Hervest die weltweit erste Anlage installierte, die Gas ohne Koksanfall erzeugen konnte. Schließlich stand 1958 Wulfen im Rampenlicht, als beim ersten Spatenstich zur neuen Großschachtanlage Stinnes sogar Mathias Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard höchstpersönlich anwesend war.

Es passierte also Großes in Dorsten zu dieser Zeit. Aber für die Bevölkerung sind es eher die kleinen Freuden im Privaten, die sie beim Zurückerinnern an die Fünfzigerjahre nostalgisch schmunzeln lassen. Denn viele zogen sich nach den schlimmen Erlebnissen in der Vergangenheit in geborgene Gefilde zurück. „Auf Familienfesten und Jubelfeiern klickten die Kameras, um die schönen Augenblicke für die Ewigkeit zu konservieren, denn schlechte Erinnerungen werden tief in der Seele begraben und die guten ins Fotoalbum geklebt“, so Anke Klapsing-Reich in ihrem Buch. Die Fotos erzählen von dem neuen Stück Lebensglück, das den Menschen wieder Kraft und Energie zum Vorwärtsschauen gab. Denn unterm Strich waren es zwar harte Zeiten, aber dennoch glückliche Fünfzigerjahre. Eine kleine Auswahl dieser Bilder sehen Sie auf dieser Seite.

Von Lydia Klehn-Dressler

Buchtipp: Der Bildband „Unsere 50er Jahre in Dorsten“ ist leider nur noch aus zweiter Hand erhältlich. Wer sich aber für diese Zeit interessiert, dem sei noch ein anderes Buch ans Herz gelegt: „Unsere 50er Jahre - Das Rätselbuch. Raten & Erinnern“ aus dem Wartberg Verlag. Hier geht es mit Quizfragen, Kreuzwort-, Silben- und Bilderrätseln auf Zeitreise.