Wer nachhaltig leben möchte, hat es nicht immer einfach. Denn braucht er etwas Neues, bekommt er oft nur Produkte, die auch aus neuem Material hergestellt sind. Dabei gilt Recycling, also die Wiederverwertung von Materialien, als einer der wichtigsten Wege zu einem umweltschonenderen Leben. Doch es tut sich was.
Das hat sich etwa auf der Ambiente gezeigt, einer Messe für Konsumgüter in Frankfurt am Main. Da kam man kaum vorbei an Produkten, die „recycelbar“ oder „aus recyceltem Material“ sein sollen. Kochtöpfe, Besteck, Briefpapier, Kerzen, Schulrucksäcke, Partyaccessoires und schicke Wohndekorationen. Es war alles dabei, viel Kitsch und Schnickschnack – viel Plastik und Metall.
Aus recyceltem Material gibt es hier etwa Pfannen aus Alt-Alu oder Deko aus altem Plastik.
Damit reagieren die Firmen auf eine steigende Anzahl Menschen, die sich nach „anständigen“ Produkten sehnen, sagt die Trendforscherin Annetta Palmisano vom Stilbüro Bora.Herke. Palmisano, das für die Messe Frankfurt die Trends analysiert hat. „Das heißt, dass Firmen versuchen müssen, bessere Wege zu finden, Produkte herzustellen - auch aus Abfall.“
Unterschied von Produktionsresten und Müll
Hört sich nicht neu an? Stimmt, und doch gibt es Neues zu berichten: Bisher handelte sich in aller Regel nicht um echten Müll, der weiterverwertet wurde, sondern um Produktionsreste der Industrie. Nun aber wird häufig mindestens ein Anteil Konsumentenmüll genutzt. Das sind Reste von alten Produkten, etwa Plastikverpackungen aus Gelben Säcken und Gelben Tonnen. Und das macht einen Unterschied. Echtem Müll ein neues Leben als Produkt zu geben und ihn nicht zu verbrennen oder in der Umwelt zu entsorgen: Das ist Nachhaltigkeit. Die Reste einer industriellen Produktion hingegen sind wie die Teigreste beim Ausstechen von Keksen zu Weihnachten. Sie sind immer noch der gute Teig, den man neu verklumpen und weiter ausstechen kann, bis alles weg ist. Und auch diese Produkte gab es auf der Messe hier und da: „Unser Produkt trägt wiederverwertete Porzellan-Glasur.“ Oder: „Es besteht aus wiederverwerteter Ausschussware.“ Bisweilen ist der geneigte Kaufinteressent auch zur Nachfrage gezwungen, weil es an Informationen fehlt: Handelt es sich bei dem beworbenen Recyclingmaterial wirklich um echten Müll?
„Inzwischen sollte eigentlich jeder darauf bedacht sein, kein Greenwashing zu machen. Wenn man etwas kommuniziert, dann muss das Hand und Fuß haben“, sagt Julia Uherek, Bereichsleiterin der Konsumgütermessen in Frankfurt. Ihr Eindruck: Das haben die meisten Hersteller verstanden. Viele Verbraucher hinterfragen die Produkte auch.
Verteufeln sollte man die Resteverwertung in der industriellen Produktion allerdings auch nicht. Denn nicht immer kann der anfallende Produktionsmüll direkt beim Hersteller auch weitergenutzt werden. Daher ist das immer noch ein Ansatzpunkt für Designer in Sachen Nachhaltigkeit. „Zum Beispiel in der Holzindustrie bleiben kleine Abschnitte von Holzstücken übrig, die sonst gemahlen werden oder zu Pressholz oder ähnlichem verarbeitet werden“, sagt Trendanalystin Annetta Palmisano. „Aber das ist wertvolles Holz und daraus entstehen inzwischen auch häufig tolle Designmöbel.“ Diese Aufwertung von Resten zu hochwertigen Designobjekten nennt sich Upcycling.
Von der Reispflanze zum Topfgriff
Ein weiterer Weg zu mehr Nachhaltigkeit, der sich im Handel verstärkt bemerkbar macht: Neue Materialien werden aus bislang ungewöhnlichen Ressourcen entwickelt. Auf der Ambiente vorgestellt wurden etwa die Griffe eines Kochtopfs, die aus den Resten der Reispflanze gefertigt werden.
„Es ist schon erstaunlich, was momentan alles entwickelt wird“, sagt Messeleiterin Julia Uherek. Anhand von Jury-Diskussionen sehe sie aber auch, dass die Unternehmen ihre Produkte für den Erfolg auch stets weiterentwickeln müssten. „Zum Beispiel nur zu sagen, unser Produkt besteht aus recycelten PET-Flaschen, ist nicht mehr State of the Art. Das machen viele ja schon recht lange.“
Design ohne Müll herzustellen wird ein langfristiges Anliegen sein, prognostiziert Trendforscherin Annetta Palmisano. „Es ist noch ein weiter Weg, auch wenn er schon seit einigen Jahren beschritten wird.“ Auch, weil Firmen und Designer immer wieder die bestehenden Konzepte und Produkte überdenken müssen. Denn nicht immer sei man schon auf dem richtigen Weg. „Etwa weil sich herausstellt, dass man durch eine neue Idee auch neuen Müll produziert“, erklärt Palmisano.
Es werde von vielen Seiten an der Thematik gearbeitet. Nicht nur bei kleinen Designern, sondern in der ganzen Industrie, so die Trendforscherin.
Das schlägt sich auch bei den Preisen nieder. Ähnlich wie Bio-Lebensmittel lange Zeit nicht im Discounter zu finden waren, war auch Nachhaltigkeit bislang oft etwas, das man sich leisten können muss. „Bei dem einen oder anderen Teil ist das schon noch so“, sagt Palmisano. „Aber es gibt inzwischen auch viele Hersteller, selbst im kleinen Möbelbereich, die sehr stark darauf fokussieren, dass sie erschwinglich bleiben.“
„Wir müssen aber auch stärker anfangen, weniger Produkte länger zu nutzen, um nachhaltiger zu sein“, sagt Palmisanos Kollegin Claudia Herke. Dann könne man für ein Stück auch mal mehr ausgeben.
Auch hier setzen einige Ideen der Kreativen an. Etwa in dem sie einem Produkt mehr als eine Funktion zuweisen. So lässt es sich intensiver nutzen, sodass kein zweites gekauft werden muss.
Ein gutes Beispiel in Frankfurt dafür waren neu vorgestellte Weihnachtskugeln: Lässt man die Metallhäkchen zum Aufhängen weg, sehen die Weihnachtskugeln nicht mehr aus wie Weihnachtskugeln. Sondern einfach wie eine schöne Deko fürs ganze Jahr – die im Dezember dann auch an den Christbaum kann. dpa