In einem Aktenschrank in der Redaktion stehen vier Ordner, die schon lange von niemandem mehr beachtet werden. Nicht nur, weil die Zeit des analogen Papiersammelns vorüber ist. Zwischen zwei Deckeln sind vielmehr interne Briefe und Aufzeichnungen eingeklemmt, die heute keine Bedeutung mehr besitzen. Aber sie offenbaren doch das eine oder andere lesenswerte Detail aus dem Redaktionsalltag verf lossener Jahre.Gehen wir 39 Jahre zurück. Fotograf Bruno Lücke meldete im Dezember 1983 Ausstattungsbedarf für die Dunkelkammer an. In diesem vor jeglicher Lichtquelle abgeschotteten Raum machte er seine auf Terminen geschossenen Bilder aus dem Nichts sichtbar. Geschäftsstellenleiter Norbert Thieme kaufte ihm mit Erlaubnis des Verlags ein Heißwassergerät, Bruno Lücke erstand außerdem ein Gerät zur Beobachtung der entwickelten Filme.
Die Fotografen benötigten im Monat durchschnittlich 170 Filme
Die Geschäftsführung gab den Kostenrahmen deutlich vor: Es musste preiswert sein. Schließlich war der Arbeitsplatz nicht billig. Die Fotografen der Redaktion Haltern benötigten damals im Schnitt pro Monat 170 Filme, 1400 Blatt beziehungsweise 500 Blatt Papier (13x18 und 18x24), 7 Liter Papierentwickler, 1 Liter Filmentwickler und 7 Liter Fixierbad. Kosten: rund 2500 D-Mark monatlich.
Sitz der Halterner Zeitung war damals schon das Haus am Gantepoth 10. Erst mietete der Verlag das Erdgeschoss, später kam die erste Etage dazu. Der Vermieter aber hatte seine lieben Sorgen. Im April 1986 teilte er schriftlich mit. „Die von der Zeitung angemieteten Räume in der ersten Etage am Gantepoth 10 haben nach hinten heraus eine Ausgangstür, die zu einem Balkon führt. Unter diesem Balkon befinden sich die Räume der Geschäftsstelle... Der Balkon ist mit mehrfachen Dachpappenlagen abgedichtet. Was das Schlechteste ist: Auf dem Balkon stehen Metallstühle, deren Füße sich tief in die Dachpappe eindrücken. Auf dem Dach können keine Stühle mehr aufgestellt werden. Auch ein Begehen mit Stöckelschuhen ist nicht mehr möglich...“ Der Balkon hat bis heute gehalten!
Vertaktung: „Vor diesem Wort müssen wir uns unbedingt hüten“
„Gestöckelt“ wurde nicht auf dem Freiluftzimmer, sondern höchstens mal bei den unzähligen Möglichkeiten, die Welt in Sätze zu fassen. Die Chefredaktion schrieb im August 1989: „Kürzlich stand in unserer Zeitung ein Wort, das nicht einmal in der neusten Ausgabe des Duden zu finden ist. Eine Verkehrsgesellschaft werde künftig die Buslinie X einer „Vertaktung“ zuführen. Was heißen sollte, die Linie X werde bald nach einem festen Zeittakt verkehren. Dies ist nur einer der Begriffe, vor deren Übernahme aus der Bürokratie- und Verwaltungssprache wir uns hüten müssen. Was halten Sie beispielsweise von Zuwegung? Und auch die Begrünung wird nicht dadurch besser, dass man sie immer wieder bemüht. Viele Substantive auf -ung machen die Sprache staksig.“
So wie die Dröhnung Kritik, die im Januar 1998 in die Redaktionsstube flatterte. „Was sollen denn jetzt diese Buntfotos auf der Titelseite der Halterner Zeitung?“, schrieb ein Leser aus Holtwick. „Einen ästhetischen Genuss darstellen? Oder mehr Informationsgehalt bieten? Ich will keine Illustrierte, sondern eine richtige Zeitung! Wenn das so weiter geht, wird das Abo gekündigt. Wie kann man seine eigene Zeitung so versauen.“ Ohne jegliche Hochachtung davor folgt ein förmlicher Gruß.
Noch ein bisschen härter ging ein Pfarrer mit der Zeitung ins Gericht. Die Halterner Zeitung brachte im Januar 1991 einen Bericht über die Eröffnung des ersten Halterner Jugendcafés. „Gleich in drei Beiträgen wirbt der Verfasser für die Aufstellung eines Kondom-Automaten. Ich hätte gerne Auskunft darüber, ob die Ruhr Nachrichten hier ein Missionsfeld sehen“, schrieb der Geistliche an den Verleger höchstpersönlich.
Die grundsätzliche Haltung der katholischen Kirche zum Gebrauch künstlicher Verhütungsmittel und zum Geschlechtsverkehr unter Jugendlichen dürfte ihm bekannt sein, hieß es. „Ich würde es begrüßen, wenn die gute Zusammenarbeit durch derartige Werbung nicht belastet würde.“ Den Zeitungsredakteuren sprach er jegliche Kenntnis katholischer Glaubensüberzeugung ab.
Dank für umfassende und informative Berichterstattung
Aber die Mutmacher waren zum Glück auch nicht fern. Nach der 111. Geburtstagsfeier schrieben Franz-Josef Wessels und Ulrich Löbbing von der Volksbank, sie wollten doch auch einmal die alltäglichen Dinge ansprechen. Die Vorstände dankten für verlässliche Zustellung bei Wind und Wetter, ein stets offenes Ohr für Anliegen der Bürger, umfassende und informative Berichterstattung. „Das sind Gründe dafür, dass Ihre Zeitung zum täglichen Frühstück dazu gehört.“ Ein Lob, das gern für die Ewigkeit Gültigkeit haben darf. Elisabeth Schrief